Leseproben

LESEPROBE 1:
„Komm schon, steh auf, du Schlappschwanz.“
Mühsam wälzte er sich auf die Seite. Das Kampftraining mit Slag war eine Scheißidee gewesen. Wie hatte er nur jemals denken können, es würde ihm nutzen? Slag benutzte ihn als Fußabtreter und kam nicht mal ins Schwitzen. Dass der Kerl sich dabei nicht noch die Nägel feilte, war alles.
Seit vier Wochen trainierten sie dreimal die Woche und jedes Mal fraß er Dreck, ohne dass er etwas dazulernte. So kam es ihm zumindest vor. Slag prügelte ihm tatsächlich die Scheiße aus dem Leib. Zwar verletzte er ihn nie ernsthaft, er brach ihm nichts, fügte ihm keine offenen Wunden oder inneren Verletzungen zu und tatsächlich schonte er Caidens Gesicht. Aber all die stumpfen Traumata, die er ihm verpasste, reichten, dass Caiden sich kaum noch rühren konnte. Hinzu kamen all die Beleidigungen, die Slag ihm permanent an den Kopf warf.
Jepp, der Riese hatte sichtlich Spaß an seinem Job. Caiden hegte heimlich den Verdacht, dass er ihm nichts beibringen, sondern ihn lediglich als Punchingball benutzen wollte.
„Stopp, ich kann nicht mehr“, japste Caiden.
„Wann Schluss ist, bestimme ich. Steh auf oder ich prügele dich hoch.“
Er bemühte sich, auf die Füße zu kommen. Als er halbwegs stand, trat Slag ihm das Bein weg.
Caiden fiel mit dem Gesicht in den Sand.
Sofort war Slag über ihm und drückte den Kopf noch tiefer rein.
Er atmete Staub ein und musste qualvoll husten, aber Slag kannte keine Gnade, obwohl Caiden abklopfte. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass er ersticken würde ...
Verzweifelt wehrte er sich gegen den Druck, doch ohne jeden Erfolg. Watte nistete sich in seinem Hirn ein, als er drohte, die Besinnung zu verlieren. Im heftiger, aber auch unkontrollierter zuckte und bockte er. Vergebens.
„Komm schon, Desperado, wende an, was du gelernt hast“, durchschnitt Slags tiefe Stimme den panikartigen Nebel in seinem Kopf.
Witzig, er hatte doch nichts gelernt, außer sich in den Dreck treten zu lassen. Doch mit einem Mal wurde er ganz ruhig, ignorierte die mangelnde Atemnot, hörte auf zu zappeln und konzentrierte sich. Verdammt, er war gelenkig wie kein zweiter, er war kein Schwächling, sondern hatte Kraft – selbst wenn Slag mehr hatte. Außerdem war er mit der gnadenlosen Härte des Lebens aufgewachsen. Das war nicht sein erster Kampf ums nackte Überleben. Adrenalin flutete schlagartig seine Adern, gab ihm Bärenkräfte. Caiden kickte Richtung Arsch und traf tatsächlich. Er hatte alle Kraft hineingelegt.
Prompt ertönte ein Ächzen und der Druck ließ etwas nach.
Sofort drückte er sich hoch, atmete tief ein, warf sich herum und rammte Slag eine Faust in die Rippen. Dann wand er sich unter ihm hervor und sprang auf. „Was für eine verkackte Taktik ist das?“, spuckte er Slag vor die Füße. „Mich umbringen, bis ich mich wehre oder krepiere?“ Caiden war außer sich. Das Blut rauschte in seinen Ohren. „Du Arschloch hast mir bisher gar nichts beigebracht.“
„Doch! Schmerzen auszuhalten. Wichtigste Regel: Nur, wer was einstecken kann, hat noch genug Körner, um auszuteilen. Außerdem, wer sagt, dass Straßenkampf fair ist? Der ist verdammt schmutzig und das weißt du. Jedes Mittel ist erlaubt.“
„Jedes?“, fragte Caiden lauernd. Der Irrsinn ritt ihn.
„Jedes!“, grollte Slag. „Wenn du den Gegner aus dem Konzept bringst, hast du so gut wie gewonnen.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er wusste genau, wie er den anderen aus dem Konzept brachte. Er sprang auf Slag zu, der kampfbereit vor ihm stand und dazu etwas in die Knie gegangen war, und presste dem Riesen ohne Vorwarnung die Lippen auf den Mund.
Im selben Moment mutierte Slag zur Salzsäule. Caiden nutzte die Sekunde, um ihm das Knie wegzutreten.
Slag fiel zu Boden und starrte ihn immer noch fassungslos an.
Sofort setzte Caiden nach und drückte ihm den Unterarm auf die Kehle. „Meinst du so?“
„Du kleiner Scheißer“, knurrte Slag.
Ihm wurde schlagartig klar, dass er eine Grenze überschritten hatte. Sofort sprang er auf und wich zurück.
Slag folgte ihm blitzschnell.
Abwehrend hob Caiden die Hände. „Hey, hey, ruhig, Großer. Du hast was gefaselt von ‚ist alles erlaubt‘ und ‚aus dem Konzept bringen‘ und ‚nicht fair‘.“ Er war immer weiter zurückgewichen.
Slag kam ihm nach, ohne ihn aus den beunruhigenden Augen zu lassen, in denen pure Mordlust tobte.
Das war wieder der alte Slag. Caiden war gar nicht aufgefallen, dass er in den letzten Wochen eine – wenn auch nur minimal ‑ freundlichere und offenere Version von Slag vor sich gehabt hatte. Plötzlich stolperte er über eine Baumwurzel und fiel auf den Hintern.
Slag riss ihn am Kragen hoch, wirbelte ihn herum, drehte ihm den Arm auf den Rücken, stieß ihn mit dem Gesicht voran gegen den Baum und drückte ihn dagegen. „Wenn du es schon schaffst, deinen Gegner aus dem Konzept zu bringen“, knurrte er, „dann bring es auch zu Ende und mach dir nicht vor der eigenen Courage in die Hose.“ Von hinten presste er den gewaltigen Körper an Caidens. „Was jetzt, Kleiner?“ Slags Stimme färbte mit einem Mal ein eigenartig rauer Klang.
Plötzlich war er atemlos. „Ich weiß nicht.“
Mit einem Knurren stieß Slag ihn von sich.
Caiden taumelte ein paar Schritte zur Seite und fuhr herum, bereit, sich dem neuen Angriff zu stellen.
Doch Slag bewegte sich schon in die andere Richtung, rieb sich dabei mit einer Hand über den Kopf und schüttelte selben. „Scheiße, scheiße, scheiße! Was mache ich hier?“. Jeder stapfende Schritt verdeutlichte, wie aufgebracht er war. Abrupt schoss er mit einem wütenden Geräusch herum und stürmte wie ein Güterzug auf Caiden zu.
Unfähig sich zu bewegen, sah Caiden das Unheil auf sich zu donnern.
Ehe er sich versah, packte Slag sein T-Shirt und riss ihn zu sich heran. „FUCK! F U C K!!! Was soll ich nur mit dir machen, hm?“ Schweratmend starrte Slag ihm in die Augen, die Nasen nur Millimeter voneinander entfernt.
Die Luft zwischen ihnen lud sich schlagartig auf und die Zeit blieb stehen, als sich ihre Blicke ineinander verhakten ...

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