"Bittersüßer Nachtschatten – Weg ist Licht" ist der zweite Band der Benner-Hunter-Dilogie. Zum Verständnis ist es daher notwendig, den vorherigen Band 1 "Bittersüßer Nachtschatten – Gift der Vergangenheit" gelesen zu haben.
LESEPROBE 1:
Im selben Augenblick spürte er die Gefahr.
Lucian warf die Tür zu, aber der Pfeil traf ihn im linken Oberschenkel. Blitzschnell zog er ihn heraus. Verflucht! Ein Knurren entwich ihm. Das verhieß nichts Gutes! Aber es war nicht die volle Dröhnung gewesen, da der Pfeil nicht tief eingedrungen war - sonst wäre er jetzt schon weggetreten. Er musste hier raus. So schnell Lucian konnte, fasste er das Geländer, schwang sich hinüber und ließ sich hinab ins nächste Stockwerk fallen. Vor der Tür war ein Schloss. Was auch sonst?! Also weiter. Er sprang noch ein Stockwerk nach unten und stolperte. Scheiße! Noch nicht! Durchhalten! Lucian riss sich zusammen. Hinter sich nahm er Schritte wahr. Drei Stockwerke tiefer merkte er, dass sein linkes Bein taub wurde. Aber aufgeben kam nicht in Frage. Hier war eine unverriegelte Tür. Er stürmte hindurch und postierte sich seitlich daneben.
Langsam öffnete sich die Tür.
Lucian konzentrierte sich ganz auf den Gegner aus dem Treppenhaus, als er die aufgleitenden Aufzugstüren hörte.
Scheiße, jetzt saß er in der Falle.
Behutsam erhob er sich, die Pistole im Anschlag. Sein Bein war fast taub. Trotzdem zielte er ruhig und kalt auf die Tür zum Treppenhaus und schoss, als jemand hindurch kam. Ohne Zeit zu verlieren, setzte er über die stürzende Gestalt hinweg ins Treppenhaus zurück. Der Sprung war normal, aber sein betäubtes Bein gab nach und von dem Schwung wurde er nach vorn gerissen. Er stürzte die Treppe hinab, bis ihn die nächste Wand stoppte. Benommen blieb Lucian liegen. Als er halbwegs klar im Kopf war, rappelte er sich auf und … schaute direkt in die Mündung einer Waffe.
Sein Gegenüber lächelte böse, zielte auf sein rechtes Bein und schoss …
Noch nicht genug, es darf noch ein bisschen mehr sein?
LESEPROBE 2:
Lucian versuchte, das Schloss der Luke zu knacken. Er hatte seine technische Ausrüstung angeschlossen und ließ einen Algorithmus durchlaufen. Es dauerte viel länger als geplant. Er fluchte ausgiebig. Auf Rumänisch. Diese blöde, gerade mal einen Quadratmeter große, uralte Scheiß-Kohleluke war besser gesichert als Fort Knox.
Da er sich seit dem Verlassen des Full Moons ausschließlich mit seiner Recherche beschäftigte, hatte sein Hirnschmalz endlich angefangen, auf Hochtouren zu arbeiten. Außerdem hatte er ein neues kleines gemeines Programm geschrieben, das alle an das WWW angeschlossenen Server nach einer bestimmten elektronischen Spur durchsuchte. Als er es fertig hatte, hatte er sich gefragt, wieso er nicht schon vorher auf diese Idee gekommen war? Auch das hatte ihm gezeigt, wie weit weg er von seiner normalen Verfassung gewesen war und sich von Mascha hatte ablenken lassen.
Das war jetzt definitiv vorbei.
Sein Programm suchte nach gelöschten Nachrichten mit bestimmten Schlagwörtern. Vor drei Tagen hatte es ihm einen Treffer angezeigt, eine Nachricht, die vom 14. Januar 2013 war und als Gegenstand 0517131900 hatte. Außer dieser Angabe war nichts weiter enthalten gewesen. Die Ziffernfolge war nicht willkürlich. Die amerikanische Schreibweise von Datumsangaben sah so aus: 05/17/13, also Monat/Tag/Jahr. Es handelte sich um den 17. Mai 2013. 1900 stand für die Uhrzeit. Maiks Todeszeitpunkt.
Es war ein erster Durchbruch. Trotzdem hatte er Mascha nicht angerufen. Zum einen brauchte er Beweise, dass diese Mail wirklich mit Maiks Tod in Zusammenhang stand, auch wenn er sich sicher war. Zum anderen musste er noch herausfinden, von wem die Nachricht kam und an wen sie ging. Sein Entschlüsselungsprogramm hatte gestern den Empfänger ausgespuckt: 913RDC. Damit stand für ihn außer Frage, dass dies Maiks Todesmail war, denn RDC war die Abkürzung der Red Dragon Company. Also doch! Wie blind war er bloß gewesen? Er hatte es tatsächlich übersehen. Und das nur wegen einer Frau.
Weiterhin hatte er herausgefunden, dass die RDC ihre Kommandozentrale für bestimmte Einsatzgebiete von Brüssel nach Berlin verlegt hatte. Brüssel war zwar noch offiziell der Firmensitz, aber alle „strategischen Aktionen von besonderer Brisanz, die spezielle Methoden erforderten“, wurden seit etwa sechs Jahren von Berlin aus geplant und durchgeführt. Deshalb war er in Brüssel nicht fündig geworden. Trotzdem ein unverzeihlicher Fehler, dass ihm das nicht aufgefallen war. Weiber! Na ja, nun wusste er ja Bescheid.
Aber all das reichte ihm immer noch nicht. Er wollte den Auftraggeber. Dieser Code ließ sich jedoch nicht knacken. Da hatte jemand bei der Verschlüsselung extrem gute Arbeit geleistet. Deshalb hatte er entschieden, nach Berlin zu fahren und sich in der Organisation umzusehen. Möglicherweise war dort mehr zu holen. Jetzt wo er zumindest den Verschlüsselungscode des Auftraggebers kannte, 2u7eoshwkwkzu8e838e402ß04, und somit wusste, wonach er suchen musste.
Dann hatte er sich entschlossen, Mascha wie vereinbart den ersten Erfolg mitzuteilen, hatte jedoch nur Zlat erreicht. Mascha war joggen gewesen.
„Sag ihr, sie soll schon mal die 2.000 Euro bereithalten.“ Lucians Stimme hatte selbst in seinen Ohren beißend geklungen. Dann hatte er Zlat seine neue Handynummer durchgegeben, ihm kurz erklärt, was er herausgefunden und nun vorhatte.
Endlich sprang die Anzeige auf Grün und diese widerspenstige alte Luke schwang auf. Lucian quetschte mit den Beinen voran seine breiten Schultern durch die Luke und landete auf den Füßen. Licht brauchte er nicht. Er sah ja auch so hervorragend. Leise schlich er durch den Keller und kam zur nächsten Tür. Er fluchte. Diese war auch gesichert. Zum Teufel, waren die hier paranoid! Lucian klemmte sein Tablet an und startete den Algorithmus. Wenn das so weiterging, war er morgen früh gerade mal in der ersten Etage angelangt. Hinzu kam, dass das Risiko, entdeckt zu werden, mit jedem Eingriff in das Sicherheitssystem anstieg, da er immer mehr Spuren hinterließ. Auch wenn er sich nur für ganz kurze Zeit einhackte und danach wieder alles normal erschien.
Als das Schloss aufsprang, huschte Lucian lautlos durch die Tür. Niemand war zu sehen, das Licht gedämpft. Lucian schlich direkt zum nächsten Büro. Er konnte sein Glück kaum fassen, dass es nicht gesichert war. Andererseits bedeutete das, dass hier keine wichtigen Infos zu finden waren. Aber vielleicht war es möglich, herauszufinden, wer oder welcher PC die Nummer 913 war. Lucian fuhr den Computer hoch und knackte in Nullkommanichts das Passwort. Es war der PC einer normalen Bürokraft. Er fand heraus, dass die firmeninternen Adressen der Computer anscheinend eine Bedeutung hatten. Dieser hier hatte die Nummer 025. Das konnte bedeuten, dass die Null für das Erdgeschoss stand und dies PC Nr. 25 im Erdgeschoss war. Lucian fuhr den PC wieder herunter und wollte das Büro verlassen, als er Schritte hörte. Er drückte sich in den Schatten. Durch die Glastür konnte er einen Wachmann sehen, der seine Runde ging.
Nach einigen Minuten verließ Lucian das Büro, näherte sich dem Treppenhaus und jagte dann zwei bis drei Stufen auf einmal nehmend in die neunte Etage, ohne groß außer Atem zu sein, bis er vor der Tür stand und ihn erneut ein elektronisches Schloss fast schon höhnisch anleuchtete. Fuck! Lucians Kiefer pressten sich aufeinander, heute war nicht sein Tag. Wieder schloss er sein Tablet an und startete den Algorithmus, darauf bedacht sich immer im toten Winkel der Kamera aufzuhalten.
Der Wachmann war neu und nahm seinen Job genauso ernst, wie die RDC Wert auf Sicherheit legte. Ihre Wachleute waren immer Spezialisten, sowohl im IT-Bereich, um das Sicherheitssystem wirklich überwachen zu können, als auch in der Anwendung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen, um sofort handeln zu können.
Es war trotzdem reines Glück, dass er den kurzen Hack in das Schloss der Treppentür der neunten Etage bemerkte. Auf dem Monitor war nichts zu erkennen, aber das bedeutete nichts. Es gab einen toten Winkel. Der IT-Spezialist ließ seine Finger über die Tasten fliegen, um ein Programm namens R.D.C.S.P.Y. zu starten. Ein Programm, das alle in irgendeiner Form elektronisch motivierten Eingriffe aufdeckte. Er entdeckte, dass bereits die Kohleluke, die Kellertür und ein PC im Erdgeschoss gehackt worden waren. Interessanterweise war bei dem PC im Erdgeschoss lediglich die Spezifikation abgefragt worden. Mehr war nicht geschehen. Der Verstand des Wachmanns arbeitete auf Hochtouren. Was wollte jemand da oben?
Er entschied, den Eindringling zu melden, bevor er sich seiner annahm. In seiner Muttersprache – Koreanisch - erklärte er die Situation seinem Vorgesetzten.
Dieser drückte das Gespräch weg, um sofort die ‚1‘ zu wählen. Nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben. „Was?“
„Jemand verschafft sich Zutritt zur Neunten.“
„Ich komme sofort.“
Lucian schlüpfte durch die Tür in die neunte Etage. Er fragte sich, wie die Computer angeordnet waren. Viele Versuche hatte er nicht, da jede Bürotür zusätzlich gesichert war. Er konnte nicht in alle hineinschleichen und die Computer hochfahren. Aber er musste wissen, mit welcher Nummer die Computer auf diesem Flur starteten. Unten war die 25 unmittelbar vor dem Treppenhaus gewesen. Er hoffte, dass die Ordnung hier oben beibehalten wurde. Lucian zählte die Büros, auf jeder Seite fünf Büros mit drei PCS, und entschied sich für zwei, die in die engere Wahl kamen, je nachdem von welcher Seite aus mit der Eins begonnen wurde. Dann zählte er auf seiner Seite weiter bis fünfundzwanzig und entschied sich dafür, im diagonal gegenüberliegenden Büro zuerst anzufangen, in der Hoffnung, sofort auf die Dreizehn zu stoßen. Immerhin musste er noch innerhalb des Büros drei Computer hochfahren und checken. Lucian hackte das Schloss, schlich blitzschnell hinein bis zur Überwachungskamera, die er in eine andere Richtung drehte. Er bewegte sich dabei mit seiner enormen, ihm eigenen Schnelligkeit. Dann fuhr er die Computer hoch und begann den ersten zu hacken, was sich als weitaus schwieriger erwies als im Erdgeschoss, und das alles nur, um erst mal an die bescheuerte firmeninterne Nummer des Computers zu kommen.
Verfluchte Scheiße! Definitiv nicht sein Tag.
Ein hochgewachsener Mann erschien hinter dem Wachmann. „Wo ist der Eindringling?“
„Er hat das Schloss von Büro 3 geöffnet und die Kamera verstellt, erkannt habe ich ihn nicht. Er ist vermummt, aber groß. Ich schätze etwas größer noch als Sie.“
Der Mann nickte nachdenklich. „Schicken Sie Ito. Er soll unseren Besucher erst mal im Auge behalten, zumindest vorübergehend.“ Seine Stimme war leise und bedrohlich. „Zuerst wollen wir sehen, was er sucht.“
Der Wachmann nickte.
Beim dritten Computer hatte Lucian Erfolg: 913. Dieser war der Empfänger gewesen. Aber alles in allem hatte es viel zu lange gedauert. Verflucht, er hätte längst abhauen müssen. Denn sein Eindringen würde mit Sicherheit entdeckt oder war es schon. Andererseits würde er hier nicht wieder hereinkommen und er spürte, dass er ganz nah dran war. Entschlossen kopierte er die komplette Festplatte auf sein Tablet.
Während er auf die Fertigstellung wartete, versuchte er, aus dem Schreibtisch schlau zu werden. Nichts gab eine Info auf die Person, die hier arbeitete, preis. Andererseits war diese Person wahrscheinlich nur ein Handlanger. Die Schubladen und Schränke waren verschlossen.
Plötzlich stellten sich seine Nackenhaare auf und seine ausgeprägten Wolfssinne nahmen Gefahr wahr: ein kaum hörbares Tappen, den Hauch eines Atmens. Jemand kam. Überrascht war er nicht.
Lucian schnellte herum und verkeilte einen Stuhl unter der Tür. Er hockte sich seitlich daneben. Angst hatte er nicht. Das entsprach einfach nicht seiner Natur.
Stattdessen konzentrierte er sich und ging mit seinem Tablet Online. Zeitgleich zippte er die kopierten Daten. Zlat konnte er nicht mit hineinziehen. Also schrieb er eine Mail an Mascha und an seine eigene andere Emailadresse mit dem Inhalt: ‚Wurde beim RDC entdeckt; versteck den Anhang à Rückschlüsse auf Maiks Tod. Finde heraus, wer 2u7eoshwkwkzu8e838e402ß04 ist.‘ Dann hängte er die Zipdatei an und schickte die Mail ab. Das ging trotz der großen Datenmenge schnell. Anschließend sendete er eine Mail mit vier Wörtern an eine weitere Adresse. Danach öffnete er ein Programm, das sein Tablet unbrauchbar machen würde. Das würde einen echten Datenspezialisten zwar nicht unendlich aufhalten, aber zumindest mehrere Tage. Außerdem war er ja noch nicht fertig. Er nahm das Tablet, legte es auf den Boden und zertrat es. Dann übergoss er das Gerät mit Napalm, das er aus seinem Rucksack nahm, und zündete es an. Lucian hoffte, dass das Ding nun ganz zerstört war. Wenn nicht, musste die Zeit reichen, damit seine dritte Mail über einen von ihm entwickelten und nicht nachvollziehbaren Weg bei Zlat ankam. Vor gut zehn Jahren hatten sie diese Möglichkeit vereinbart. Für den Fall der Fälle. Lucian hätte ihn noch vor einigen Wochen niemals benutzt, dafür war seine Abneigung Zlat gegenüber zu groß gewesen.
Nun konnte er nur hoffen, dass Zlat sie bekam und gemeinsam mit Mascha schnell handelte. Denn er war sich sicher, dass die RDC wusste, welche Daten Lucian interessiert hatten. Das würde sie unweigerlich zu Mascha führen und wenn diese die Daten nicht vorher bekam, war alles umsonst gewesen.
Lucian zog eine Sig Sauer mit Schalldämpfer hervor. Dann öffnete er langsam die Tür und späte auf den Flur, der natürlich leer war. Aber hier war jemand …
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