STÄHLERNE HERZEN-REIHE

Bei den lose miteinander verbundenen Romanen aus der STÄHLERNE HERZEN-Reihe handelt es sich  um Dark Thrill Romance aus dem Ruhrgebiet, wo der Geist von Kohle und Stahl noch heute den Willen und die Herzen der Menschen „stählt". 

Neben Action und Spannung knistert es in diesen Geschichten vor Erotik und Liebe. Und in diesem Buch gibt's auch ein wenig Drama.

Jeder Roman kann für sich gelesen werden.

 

Informationen/Leseproben

Information:
Folgende Personen und Orte, die in STÄHLERNE HERZEN·UNMORALISCH eine (kleine) Rolle spielen, sind bekannt aus dem Vorgänger-Roman
"STÄHLERNE HERZEN·UNBEUGSAM"      King, Claire und das Ruhrgebiet.

LESEPROBE 1:
Als er merkte, wie brutal er ihre Arme vor lauter Wut umkrallte, ließ er sie los, stieg aus dem Auto, umrundete es, öffnete die Beifahrertür und zerrte sie grob heraus. „Ich verstehe dich einfach nicht“, knurrte er. „Wir waren mal Freunde, dachte ich, und jetzt benimmst du dich dermaßen widerlich. Das macht man mit Freunden nicht.“
Sie starrte auf seine Hände, die sie wieder gepackt hielten. „Das ist also dein letztes Wort, ja? Keine Einsicht, dich besser nicht mit mir anzulegen.“
Er ließ sie los. „Mein letztes. Und dir kann es doch auch kaum gefallen haben, mich zu zwingen.“
„Nun, das bleibt wohl mir überlassen.“
„Und wie lange wolltest du das aufrechterhalten? Bis dass der Tod uns scheidet“, fragte er zynisch.
„So habe ich mir das vorgestellt“, sagte sie völlig ernst.
Und da begriff er, dass sie tatsächlich ewig bei ihm bleiben ‑ ihn womöglich heiraten? – wollte. Entsetzt sah er sie an. Nur über seine Leiche! „Du wolltest meine Kohle, meinen Namen, richtig?“
„Jepp, hatte ich mir so gedacht.“ Plötzlich schaltete sie wieder um und schmiegte sich eng an ihn, klimperte mit den Wimpern. „Du weißt doch, dass ich dich heiß finde. Den Rest drum herum lehne ich natürlich auch nicht ab. Ach ja, und ein Kind von dir.“
Ihm wurde schlecht.
„Apropos“, fuhr sie fort. „Noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen. Wenn du es dir überlegen willst, mein Angebot steht.“
„Dein Angebot? Du tust so, als lässt du mir freie Wahl. Dabei kann ich nur wählen, ob ich mich von dir erpressen lasse oder nicht, dafür allerdings Repressalien aller erster Güte in Kauf nehme. Uuah, du bist echt ekelhaft, aber das zeigt ja auch dein gesamtes Verhalten in diesem Schmierentheater. Keine Ahnung, wer außer dir auf die Idee käme, sich von jemandem vögeln zu lassen, der dich verabscheut!“
Das saß. Sie ließ ihn los, als hätte sie sich verbrannt, wich zurück und schaute ihn eine Sekunde mit großen Augen wie ein verletztes Reh an. Doch dann änderte sich der Gesichtsausdruck und zum Vorschein kam die böse Hexe, die ihn hasserfüllt anstarrte. „Du wirst es bitter bereuen.“ Damit drehte sie sich um und ging.
„Hast du die Pille genommen?“, rief er ihr hinterher.
Ohne sich umzudrehen, hob sie die Hand über ihre Schulter und zeigte ihm den Mittelfinger. „Fick dich, Leif Niemeyer! Lass dich überraschen!“


Noch nicht genug, es darf noch ein bisschen mehr sein? 
 

LESEPROBE 2:
Eins
Samstag, 24. Juli
Jazz schlängelte sich durch die Menschenmenge zur Bar des Musikclubs, der in dem traditionsreichen Gebäude der ehemaligen Brauerei in Bochum betrieben wurde. Das Tribute-to-Ramstein-Konzert einer Coverband war gerade vorbei, die Theke natürlich rappelvoll und eigentlich kein Durchkommen. Kurzerhand tippte sie dem großen Burschen vor sich auf die Schulter. „Darf ich mal an die Bar?!“
Der Typ drehte sich um, musterte sie einen Moment eingehend. Dabei musste sie ihm zugutehalten, dass er ihr zu 95 Prozent ins Gesicht sah und nur einmal kurz den Blick über ihren Körper gleiten ließ. Ein schalkhaftes Grinsen hob seine Mundwinkel. Ausgesprochen ansprechende Lachfältchen bildeten sich in den Augenwinkeln und Grübchen auf den Wangen. Überhaupt sah der Kerl sehr sympathisch aus. Ein attraktiver junger Mann von etwa 25 Jahren. Groß – sie schätzte ihn irgendwo zwischen 1,85 und 1,90 Meter. Schlank. Mit blonder Wuschelfrisur, zumindest das Haupthaar. Die Seiten und der Hinterkopf waren kurz.
„Nö, dann ist mein Platz an der Quelle ja weg und ich komme nicht mit so hübschen Ladies wie dir ins Gespräch. Ich bestelle also lieber etwas für dich und halte die Stellung, wenn du mir sagst, was du möchtest.“
Oha, Prince Charming. Aber das war auch in Ordnung. Hauptsache, sie bekam endlich ihren Drink. „Gin Tonic.“
Der Typ drehte sich zurück zur Bar. „Einen Gin Tonic und ein Bier, bitte.“
Das ‚Bitte‘ fiel ihr sofort auf. Ungewöhnlich höflich, sowohl für sein Alter als auch für den Club.
Als er die Getränke hatte, wandte er sich ihr wieder zu. „Bitte sehr, schöne Frau. Verrätst du mir auch deinen Namen?“
„Danke für den Drink. Freunde nennen mich Jazz. Und du bist?“
„Angenehm Jazz, ich bin Leif. Das hier ist übrigens Giacomo, ein Freund.“ Damit klopfte er dem Burschen neben sich auf die Schulter. Ein attraktiver, südländisch aussehender Dunkelhaariger hob das Glas. „Salute!“
„Prost.“
„Prost.“
Sie stießen an. Giacomo musterte sie einen Moment, lehnte sich zu seinem Kumpel und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin Leif herzhaft lachte. „Ich bin ja nicht du. Mir reichen auch nette Gespräche mit attraktiven Frauen“, sagte er in Giacomos Richtung. Dann drehte er sich zu ihr zurück. Sein breites Lächeln entblößte schöne weiße Zähne, wie aus einer Zahnpastawerbung. „Und, was machst du so in deiner Freizeit, außer auf Konzerte gehen?“
Der gutaussehende Italiener wandte sich zur anderen Seite, wo Jazz erst jetzt eine Frau entdeckte, mit der er sofort heftig flirtete.
Natürlich konnte sie sich denken, was Giacomo seinem Kumpel zugeraunt hatte. Wahrscheinlich, dass sie nichts für Leif war, weil sie viel älter war oder zu schön. Das letztere verstand sie nicht. Doch sie hatte schon oft festgestellt, dass gerade ihr Aussehen sie um zahlreiche Dates brachte, weil die Typen sich nicht trauten. Sie wusste um ihr gutes Aussehen. Blind war sie ja nicht. Jazz sah aus wie die nach wie vor wunderschöne Monica Bellucci – bloß gut anderthalb Dekaden jünger. Es war ihr schon oft passiert, dass sich Leute auf der Straße umdrehten und sie auf die Ähnlichkeit ansprachen - also zumindest Personen in dem Alter, die die attraktive italienische Schauspielerin kannten, wovon Leute in Leifs Alter weit entfernt waren. Jazz hatte lange glatte dichte dunkelbraune Haare, braune Augen, dunkle Brauen und lange Wimpern sowie volle sinnliche Lippen.
Aber Leif schien das nicht unbedingt groß zu beeindrucken. Er verkrampfte nicht wie viele andere, die in ihrer Gegenwart nicht wussten, was sie sagen sollten. Nicht nur das, er war auch jemand, der nicht als erstes fragte, was sie beruflich machte. Der Bursche wurde ihr zunehmend sympathischer. „Ich jogge, schwimme und fahre Rad. Was treibst du denn so?“
Er überging ihre Frage. „Also Triathletin?“
Sie nickte und Leif antwortete: „In erster Linie klettere und bouldere ich, aber Parcour mache ich auch ganz gerne.“ Er nahm einen Schluck aus der Flasche.
Jazz fiel auf, dass sein rechter Unterarm in irgendeinem neumodischen Stil tätowiert war. Sie konnte einen Totenkopf ausmachen, der Rest blieb ihr schleierhaft. Mittelkleine Plugs aus Holz zierten seine Ohrläppchen.
„Bist du öfter hier?“
Sie nickte. „Ab und an. Und du?“
„Jepp! Komisch, ich habe dich hier noch nie gesehen. Ist das heute deine Musik gewesen oder warst du aus Versehen hier?“
Typisch, auf dieses Vorurteil traf sie häufig. Nur weil sie nicht wie eine Rocker-, Gothic- oder Grungefrau aussah, dachten alle, sie würde Charts hören. Weit gefehlt. Sie liebte harte Gitarrenriffs. „Nope, kein Zufall oder Versehen“, grinste sie. „Ich mag die Musik tatsächlich.“
Nun lächelte Leif noch breiter. „Cool. Umso seltsamer, dass ich dich vorher noch nicht entdeckt habe. Ich meine, du bist nicht zu übersehen.“
Sie zuckte die Schultern.
„Was machst du beruflich?“
Ah, da war sie, die unvermeidliche Frage. „Ich bin in der Bildungsbranche tätig.“ Wieso erzählte sie nicht, dass sie Lehrerin war? Weil das oft ein Gesprächskiller war, entweder für sie, weil sie dann dämliche Kommentare erntete, oder für den anderen, weil er sofort abgeschreckt war. „Was machst du denn?“, fragte sie zurück. Plötzlich kam ihr ein abschreckender Gedanke: Wenn er lachte, sah er unglaublich jung aus, vor allem mit diesem glattrasierten Gesicht. Sie sprach ihre Bedenken als Frage aus. „Zur Schule gehst du aber nicht mehr, oder?“
Er lachte und wieder kamen die feinen Fältchen um die Augenwinkel und die zwei Grübchen in den Wangen zum Vorschein. Er hatte ein wirklich schönes, jungenhaftes Lachen. „Stell dir vor, ich habe nach meinem Abitur sogar schon eine Ausbildung erfolgreich hinter mich gebracht.“
Nun, immerhin war er mindestens volljährig. Okay, Reden mit Minderjährigen war keine Straftat, aber trotzdem ... Allerdings klang das, was er von sich gab, keineswegs kindisch. Zum Glück. „Was hast du denn gelernt?“
„Gas-Wasser-Installateur.“
Ein bodenständiger Beruf. Das gefiel ihr. „Willst du noch studieren?“
„Du meinst so klassisch in Vollzeit an der Uni!?“
Sie nickte.
„Nö, aber lass uns von anderen Dingen reden. Nicht über Berufe, das finde ich ziemlich öde.“
Auch das gefiel ihr. „Sehr gerne.“
Sie quatschten und lachten eine halbe Stunde lang. Dann kam Giacomo zurück und sagte Leif erneut etwas ins Ohr.
„Alles klar“, war dessen Antwort. Er drehte sich zu ihr um. „Giacomo zieht mit seiner neuesten Bekanntschaft weiter. Was ist mit dir? Hast du Lust, die Nacht mit mir zu verbringen?“
Hatte sie sich verhört oder hatte er sie das wirklich ernsthaft gefragt? Das war mal unverblümt und direkt. Sprachlos starrte sie ihn an. Er war viel zu jung, oder? Außerdem war er nicht ihr Typ. Sie stand auf muskelbepackte, schrankbreite, eher dunkle Typen mit düsterem Gesichtsausdruck ‚Marke Arschloch‘ – zu ihrem eigenen Leidwesen ‑ gerne mit Bart. Leif war das genaue Gegenteil. Attraktiv ja, aber nach ihrem Geschmack zu schlank, wenn auch seine vom Klettern trainierten, sehnigen Unterarme von Muskeln zeugten, aber eben nicht breit. Insgesamt erinnerte er sie an eine schlanke, schnelle Antilope und nicht an einen bösen Löwen. Sein Gesicht war offen und charmant, nicht düster. Die karamellfarbenen Augen blitzten schalkhaft. Er war hellhäutig, blond und glattrasiert, nicht dunkel und bärtig. Und ihm fehlte noch ein bisschen die herbe, kantige Männlichkeit, die er wahrscheinlich in etwa zehn Jahren erreichen würde, wenn sich das Leben ein wenig tiefer in sein Gesicht gegraben hatte und es markant formen würde. Vorausgesetzt er wurde nicht dick oder wabbelig.
Sie fanden zeitgleich die Sprache wieder.
„Ups“, sagte er jetzt. „Das hörte sich ziemlich zweideutig ...“
„Meinst du, ob wir zusammen durch die Kneipen ziehen oder ins Bett gehen?“, fragte sie im selben Moment.
Nun starrte er sie mit offenem Mund an.
„Durch die Kneipen ist okay, sogar sehr gerne“, fuhr sie fort. „Du bist mir äußerst sympathisch. Ins Bett auf keinen Fall. Du bist viel zu jung.“
Er schloss seinen Mund, trank einen Schluck Bier und betrachtete sie plötzlich mit unergründlichem Blick.
Sie konnte seine Zahnräder rattern sehen. Seine Frage hatte anders geklungen als gemeint, das war ihr nun auch klar. Doch offenbar hatte sie ihn herausgefordert und er war zu dem Schluss gekommen, dass Angriff die beste Verteidigung war.
„Ich meinte eigentlich ‚zusammen um die Häuser ziehen‘, aber wenn du mich so fragst, bin ich dem anderen auch nicht abgeneigt. Du bist heiß ...“
Wieder so direkt und diesmal nicht aus Versehen.
„... und wieso zu jung? Ich will dich ja nicht heiraten. Hast du ein Problem mit Jüngeren? Wie viel älter bist du denn schon? Vielleicht gute zehn Jahre, höchstens 37? Wo ist das Problem?“
Nein, sie hatte kein Problem mit Jüngeren, aber sie hatte sich selbst eine Grenze gesetzt. Sie ging nicht mit Männern unter 30 ins Bett. Schließlich war sie gerade 40 geworden, auch wenn sie aussah wie Mitte 30. Immerhin bedeutete das, dass er etwa 27 sein musste, wenn er sie für 37 und somit zehn Jahre älter hielt. Damit lag er trotzdem drei Jahre unter ihrer Grenze und wie gesagt, er war nicht ihr Typ. Sie ging nicht auf seine Fragen ein. „Wie gesagt, eine Kneipentour mit dir mache ich gerne.“
Jetzt lächelte er wieder. Anscheinend neigte er nicht dazu, lange schlecht gelaunt oder böse zu sein. „Na, das ist doch was. Darauf zielte meine Frage schließlich ursprünglich ab. Vergiss den Rest.“

Shit, es war schon 04:28 Uhr und somit einige Stunden und Gin Tonics später. Sie musste jetzt wirklich dringend gehen, auch wenn sie viel mit Leif gelacht und sich hervorragend unterhalten hatte. Seine außergewöhnlichen Manieren überraschten sie ein ums andere Mal angenehm. Außerdem wirkte er ehrlich und unverstellt. Seine Absichten schienen, nachdem sie das geklärt hatten, tatsächlich nicht weiter sexuell zu sein, sondern er wollte nur einen schönen Abend verbringen. Sie fühlte sich bei ihm gut aufgehoben und völlig unbefangen. Kein Geflirte, kein Abchecken, einfach nur sie selbst sein. „Ich muss gehen, sonst komme ich morgen nicht raus und verpasse meine letzte Bahn.“ Jepp, sie musste sich beeilen.
Plötzlich wurde Leif ernst. „Dann begleite ich dich nach Hause.“
„Quatsch, du kommst doch gar nicht mehr zurück. Außerdem bist du mindestens anderthalb Stunden unterwegs.“
Er hob die Schultern. „Na und. Ich lasse dich doch nicht allein nach Hause gehen. Wer weiß, wer sich unterwegs rumtreibt.“
„Leif, ich bin die letzten Jahre auch allein nach Hause gefahren. Ich schaffe das.“
„Bestimmt sogar. Aber in meiner Anwesenheit ist das keine Option. Meine Erziehung lässt das nicht zu. Ich bringe dich. Dann fahre ich halt mit einem Taxi zurück.“
Wieder seine klassischen Manieren. Aber sie sah ihn entgeistert an. „Das kostet mindestens 40 Euro.“
„Egal. Einzige Alternative ist, du kommst mit zu mir. Ich wohne fußläufig in einer WG. Ich habe noch eine Gästecouch und werde dir nicht an die Wäsche gehen, großes Indianer-Ehrenwort.“ Er hob Zeige- und Mittelfinger zu einem V.
„Nix da. Ich fahre nach Hause.“
„Dann begleite ich dich.“
„Leeeif“, zog Jazz das Wort ungeduldig in die Länge.
„Jaaazz!“, ahmte er ihren Tonfall nach. „Du hast die Wahl, entweder begleite ich dich oder du kommst mit zu mir“, sagte er unnachgiebig.
Sturkopf! Sie blickte auf die Uhr. Scheiße! Die Bahn war weg. „So ein Mist. Durch die ganze Herumdiskutiererei habe ich den letzten Zug verpasst.“
„Dann komm einfach mit. Keine falschen Hemmungen oder Bedenken.“
Shit, was soll’s. Sie gab sich einen Ruck und nickte. „Okay, aber ich nehme die Couch.“
„Das entscheiden wir, wenn wir da sind“, wich er diplomatisch aus.
Sie konnte sich denken, dass er am Ende auf dem Sofa pennen würde, egal, wie lange sie vorher diskutierten. Das gefiel ihr, nicht dass er ihr das Bett überließ, sie hatte keine Probleme mit der Couch, aber dass er seinen Prinzipien und Manieren treu blieb und da auch ziemlich unnachgiebig war. „Wie du meinst. Lass uns gehen.“

Zwei
Er hielt ihr ein T-Shirt hin. „Hier, das kannst du anziehen. Eine neue Zahnbürste ist links im Alibert.“
Jazz nahm das T-Shirt entgegen. „Hast du öfters Damenbesuch?“
Er hob eine Achsel. „Hin und wieder. Ich bin nicht der Kerl, der querbeet durch die Gegend vögelt, aber ich lebe auch nicht keusch.“
„Wieso hast du keine Freundin?“
„Keine Ahnung, derzeit ergibt sich nichts. Wieso hast du keinen Freund oder Mann? Äh ... hast du doch nicht, oder?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht mehr. Ich bin geschieden.“
„Aha, schon länger?“
„Fünf Jahre.“
„Lass mich raten: Seitdem genießt du das Leben.“
Sie nickte. „Im Prinzip schon und ich habe keine Lust, mich im Moment dauerhaft zu binden. Der Richtige war noch nicht wieder dabei, so dass ich mich umentschieden hätte.“
„Wer weiß, wer weiß.“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.
Sie lachte. „Tja, wer weiß.“ Dann wurde sie ernst. „Du flirtest doch nicht gerade mit mir?“
„Nope“, grinste er. „Wie käme ich dazu? Ich habe versprochen, dass du hier unbehelligt schlafen kannst. Und jetzt geh ins Bad, ich mache die Couch fertig.“
Als sie wieder aus dem Badezimmer kam und in Leifs T-Shirt gehüllt war, das ihr bis zu den Knien hing und mit irgendeinem ihr unbekannten Bandnamen verziert war, war das Sofa bezogen und er stand nur in schwarzen, engen Pants mit dem Rücken zu ihr.
Langsam drehte er sich um, als er sie hereinkommen hörte. „Ich bin fertig ...“ Er stockte und starrte sie an.
Sie starrte zurück. Es war, als hätte jemand die Zeit angehalten. Ihr Mund wurde trocken. Wow! Ja, er war schlank! Und ja, er war sehnig! Aber vor allem hatte er ohne Ende Muskeln, nicht im Sinne von groß, massiv und breit, sondern im Sinne von vielen, einzeln ausdefinierten, harten Muskeln. Sein Körper war komplett durchtrainiert. Es gab keine Stelle, die nicht von Muskeln durchsetzt war. Die Antilope fiel ihr wieder ein, nicht im Sinne von ängstlich, flüchtend, dünn, schwach, sondern von majestätisch, langgliedrig, ausdauernd, stark. Ein Tattoo zierte sein linkes Schulterblatt und eines seinen Unterbauch. Es kroch förmlich aus den Shorts. Ebenfalls hatte er eines auf der linken Brustseite.
Er machte einen Schritt auf sie zu und sie kam ihm entgegen, wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen.
Dann war er da und seine Lippen legten sich auf ihre, seine Hand an ihren Hinterkopf, um ihren Kopf so drehen zu können, wie er ihn brauchte, damit er besser an sie herankam. Mit der Zunge leckte er Einlass fordernd über ihre Lippen.
Sie erstarrte. Er war zu jung, verflucht! Das wollte sie nicht. Aber er fühlte sich verdammt gut an.
Beinahe augenblicklich zog er sich zurück. Hatte ihr Zögern gespürt. Außerdem hatte er sich wahrscheinlich selbst überrumpelt, als er sein Indianer-Ehrenwort gebrochen hatte.
Sie gab nach, bevor er endgültig seine Lippen von ihr gelöst hatte. Scheiße, was sollte es?! Ob 30 oder 27, ob dunkel und böse oder blond und charmant. Leif war zum Anbeißen. Und sie wollten ja nun wirklich nicht heiraten, sondern eine einzige schöne Nacht verbringen. Jazz öffnete den Mund und ließ ihn ein.
Ein überraschter Laut kam über seine Lippen. Dann presste er sie an sich, seine Zunge glitt in ihren Mund. Erforschte ihn genüsslich, streichelte über ihre Zunge und ließ sich alle Zeit der Welt. Ihr Atem mischte sich. Leif küsste nicht stürmisch, sondern genießerisch. Er hatte keine Eile, knabberte spielerisch an ihrer Unterlippe, zupfte daran, sog sie in seinen Mund, biss sanft hinein und leckte darüber. Schließlich liebkoste er wieder ihre Zunge.
Ihre Atmung beschleunigte sich. Himmel, küsste der Kerl gut.
Dann ließ er von ihr ab und schaute sie mit glühenden Augen an. Schließlich hielt er ihr eine Hand hin. „Komm mit!“ Seine Stimme klang heiser und belegt.
Sie legte ihre hinein und folgte ihm bis zum Bett.
Er drehte sich zu ihr, zeigte auf den T-Shirt-Saum. „Darf ich?“, fragte er mit rauer Stimme.
Sie nickte.
Leif fasste das Shirt und zog es langsam hoch. Er tat das so andächtig, als würde er ein Geschenk auspacken.
Stück für Stück glitt der weiche Stoff über ihren Körper und ließ kühle Luft an ihre erhitzte Haut. Dann lagen ihre Brüste frei. Sehen konnte sie nichts, weil Leif das T-Shirt bereits auf Kopfhöhe gezogen hatte, aber sie hörte ihn scharf einatmen.
Dann war das Ding weg und er betrachtete sie ehrfurchtsvoll. Sanft strich er ihr die Haare, die ihre Brüste verdeckten, über die Schultern nach hinten. „Du bist ...“ Er suchte nach Worten.
Sie lachte. „Nicht ganz das, was du gewohnt bist.“ Zwar war sie gutaussehend und sportlich, aber sie machte sich keine Illusion. Sie war gerade 40 geworden und damit gab es trotz aller Sportlichkeit Stellen an ihrem Körper, die langsam weich wurden und sogar erschlafften. Zwar hatte sie straffe, beinahe jugendliche Brüste, aber ansonsten ließ in ihrem Körper die Spannkraft insgesamt etwas nach.
„Gewöhnlich kann jeder, das interessiert mich nicht“, brummte er. „Ich wollte sagen, außergewöhnlich. Und das meine ich als Kompliment.“
Behutsam strichen seine Hände ihre Arme hinab und wieder hoch, über ihre Schultern, dann ging er langsam in die Knie und küsste sich dabei über ihren Körper, angefangen am Hals, übers Dekolletee, bis zu ihrer Brust. Er umkreiste erst die linke Perle mit der Zunge, dann die rechte.
Jazz japste nach Luft. Das fühlte sich wunderbar an.
Leif wanderte tiefer und zog eine Spur Küsse über ihren Bauch. Seine Finger hakten in ihren String und ganz langsam schob er ihn hinab zu ihren Knöcheln. Er ließ von ihrem Bauch ab und betrachtete bewundernd ihr Geschlecht. Seine Zunge leckte über seine Lippen. „Steig aus dem Höschen.“ Er klang, als hätte er Scherben verschluckt.
Sie kam seiner Aufforderung nach.
Langsam schob er sich wieder an ihrem Körper nach oben, bis seine Lippen ihren Mund erreichten. Seine Erektion drückte sich granithart an ihren Bauch. Diesmal küsste er sie stürmischer.
Atemlos löste sie sich von ihm. „Jetzt ich!“ Mit den Fingerspitzen fuhr sie an den Seiten seinen Körper hinab, fühlte jedem Muskel nach. Er war tatsächlich überall bretthart. Gänsehaut überzog ihn. Ihre Zunge leckte über seine Brust und die Nippel. Dann zog sie ebenfalls Küsse über seinen Bauch. Ihre Finger packten den Bund der Shorts und schoben ihn nach unten. Seine Erektion sprang ihr entgegen. Nein, sie würde ihn nicht in den Mund nehmen. Dafür kannten sie sich zu wenig. Aber sie nahm ihn in die Hand und massierte ihn.
Ein Stöhnen drang über seine Lippen, sein Kopf rollte in den Nacken und er hielt sich an ihren Schultern fest.
Dann packte er unter ihre Achseln und zog sie wieder hoch. „Magst du dich aufs Bett legen?“, fragte er kehlig.
Diese höfliche Frage machte sie willenlos, war eindringlicher als jeder Befehl. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendeine Frau seiner smarten Art widerstehen konnte. Das, was andere Männer durch ruppige Befehle erreichten, erreichte er durch freundliches Bitten und trotzdem war genauso viel Nachdruck darin.
Sie leistete dieser Bitte sofort Folge.
Leif kam ihr nach, von irgendwo hatte er ein Kondom hervorgezaubert und es sich übergerollt. Mit den Knien drückte er behutsam, aber bestimmt ihre Beine auseinander, verschränkte seine Finger mit ihren und zog ihre Hände seitlich neben ihren Kopf. Langsam senkte er sich auf sie hinab, sein Mund fand ihren, bedächtig schob er die Zunge hinein, bis er auf ihre traf. Zeitgleich stieß seine Erektion gegen ihre Mitte und schob sich in sie. Dann presste er sich an sie. „Du fühlst dich verdammt toll an. Merkst du, wie gut unsere Körper zueinander passen?“, fragte er rau.
Das stimmte. Sie nickte.
Mit intensiven Bewegungen nahm er einen langsamen Rhythmus auf. Zwischendrin löste er immer wieder den Kuss, um ihr stattdessen in die Augen zu sehen und ihre Lust zu beobachten. Sie war sich sicher, dass er bei dem kleinsten Anzeichen von Nicht-Gefallen etwas ändern würde. Er war ein unglaublich aufmerksamer Liebhaber – und das mit 27, wo die meisten nur ihren eigenen Höhepunkt im Kopf hatten. Selbst im Bett war er ein Gentleman. Krass!
Jazz war selten so – sie wusste gar nicht, wie sie es beschreiben sollte: zuvorkommend? wertschätzend? genießerisch? rücksichtsvoll? ‑ geliebt worden. Es war unbeschreiblich ... Ihr fehlten die Worte.
Trotzdem reichte ihr diese sanfte Liebelei irgendwann. Sie krallte sich in seine Hände, drückte sie hoch und drehte sich mit ihm um, ohne die Verbindung an ihrer Mitte oder auch der Hände zu kappen. Da er so aufmerksam war, kapierte er sofort, was sie wollte, und ließ sich problemlos auf den Rücken drehen. Ein Unterfangen, das sie ohne seine Mithilfe nicht hätte bewältigen können. Als sie oben war, begann sie ihre Hüften zu rollen und ein schnelles Tempo vorzugeben.
„Zur Hölle, Jazz, wenn du so weitermachst, halte ich nicht lange durch.“
„Brauchst du auch nicht. Lass dich gehen!“
„Aber du ...“
„Schhh, lass einfach los und kümmere dich nur um dich.“
Sie steigerte den Rhythmus noch.
Nach einigen Minuten sah sie, wie er die Zähne zusammenbiss. „Halt dich nicht zurück!“
„Doch ... du ...“, presste er angestrengt hervor.
Da reichte es ihr. Sie beugte sich vor und biss ihm in die Brustwarze.
Schlagartig war’s um ihn geschehen. „FUUUUUCK!“, brüllte er und kam heftig zuckend in ihr drin.
Endlich konnte auch sie nachgeben und kam augenblicklich.

Jazz schlug die Augen auf und starrte an die Decke. Dann nahm sie die Hitze wahr, die an ihrer linken Seite wie ein Ofen abstrahlte. Sie drehte den Kopf und sah einen friedlich schlafenden Leif. Himmel, im Schlaf sah er noch jünger aus – zumindest sein Gesicht. Sein Körper sah aus wie der eines reifen, gut gestählten Mannes. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht auf der Seite und die Arme ums Kissen gelegt. Seine erstaunlich langen, mittelblonden Wimpern ruhten auf den Jochbeinen. Sommersprossen zierten seine Nase und ein wenig auch die Wangen.
Mit dem Finger fuhr sie die Konturen der Tätowierung auf dem Schulterblatt nach. Es war ein kompliziertes Muster. Er bekam eine Gänsehaut unter der federleichten Berührung.
„Ich merke, dass du mich beobachtest“, murmelte er schlaftrunken. Dann schlug er die Augen auf und lächelte. „Hast du Lust zu duschen? Mit mir?“
„Ja, gerne.“

Nachdem sie ausgiebig geduscht hatten, natürlich mit gegenseitigem Einseifen und Happy End waren sie nun auf dem Weg zur Wohnungstür, selbstverständlich voll bekleidet. Leif hatte darauf bestanden, sie nach Hause zu fahren und sie hatte angenommen. Andernfalls hätte er sie in der Bahn begleitet.
Just in dem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss und die Tür öffnete sich. Vor ihnen stand Giacomo, dahinter zwei junge Frauen. Die eine sah verdächtig nach Leifs Schwester aus. Die Ähnlichkeit war groß, sie hatte lange blonde Locken, die gleichen hellbraunen Augen, Sommersprossen und war ein echt hübsches Wesen. Die andere hatte lange natürliche rotblonde Haare und grüne Augen. Sie sah ebenfalls ziemlich hübsch aus.
Giacomo zog eine Augenbraue hoch. „Sieh an, sieh an. Da habe ich wohl verloren. Du hast sie doch rumgekriegt.“
Hatten sie etwa gewettet? Sollte sie sich so in Leif getäuscht haben? Ihr Gesicht fror bei diesen Worten ein, genauso wie Leifs Bewegungen neben ihr.
Dann fing er sich. „Dir auch einen guten Morgen, Giacomo. Hattest du eine schöne Nacht in einem fremden Bett?“ Zum ersten Mal hörte sich Leif angesäuert an.
Die Mädels runzelten die Stirn.
Achtung, das gibt Falten, Ladies.
Giacomo lachte. „Jepp, sehr schön sogar. Los Mädels, gehen wir rein. Dir noch einen schönen Tag, Jazz.“
Jazz ging hinaus, dicht gefolgt von Leif, und Giacomo schloss hinter ihnen die Tür.
Sofort griff Leif ihren Arm und drehte sie herum. „Jazz, ich weiß, wie sich Giacomos Aussage gerade angehört hat, aber bitte glaub mir, wir haben nicht gewettet. Er hat nur gestern Abend zu mir gesagt: ‚er wettet, dass ich eh keine Chance bei dir hätte‘. Mir war das scheißegal. Ich wollte einfach nur einen netten Abend verbringen, gerne in deiner Gesellschaft, aber ich habe es nicht darauf angelegt und erst recht habe ich nicht geplant, dich ins Bett zu kriegen. Glaub mir, das ist einfach passiert.“
Natürlich glaubte sie ihm. Schließlich hatte er keinen Einfluss darauf, dass sie die Bahn verpasst hatte, und es war ihre Entscheidung gewesen, ihm nachzugeben. Außerdem passte eine so berechnende Art nicht zu dem Leif, den sie kennengelernt hatte. „Ich glaube dir.“ Sie legte die Hand an seine Brust. „Lass uns fahren.“
Er nickte.

Er stieg aus dem Auto. Manchmal könnte er seinen besten Kumpel wirklich in den Hintern treten. Giacomos Bemerkung über die Wette hätte beinahe eine wunderbare Nacht zerstört. Hin und wieder neigte sein Freund dazu, die Axt im Wald zu sein. Aber das war jetzt vergessen, er hatte Jazz‘ Zweifel ausräumen können, die er in ihren Augen gesehen hatte. Apropos: Jazz war so unbeschreiblich schön, dass es wehtat. Noch nie hatte er eine derart tolle Frau im Bett gehabt, noch dazu so viel älter, so erfahren. Und ihr Körper hatte perfekt mit seinem harmoniert. Sie war weich und hatte sich höllisch gut an seinen harten Leib geschmiegt. Es war anders gewesen als das, was er sonst gewohnt war. Häufig war er mit eher dünnen, aufgrund des Diätwahns fast schon dürren Frauen im Bett gelandet und manchmal hatte es sich angefühlt, als würde Stein auf Stein schlagen.
Bei ihr zu Hause hatte er Jazz abgesetzt. Zum Abschied hatten sie in einem Anflug von Albernheit noch einige Selfies gemacht, mit diversen Grimassen, aber auch lächelnd und am Ende hatte sie ihm einen Kuss auf die Lippen gedrückt, den er sogar bildlich festgehalten hatte. Dann hatten sie Nummern ausgetauscht und sie war verschwunden.
Er schloss die Tür auf und ging direkt in die Gemeinschaftsküche, wo seine Schwester Lisa, Giacomo und Bella beim Frühstück saßen.
„Alter, erzähl mal, wie war’s? Wie hast du’s geschafft, dieses Klasseweib in die Kiste zu kriegen?“
„Mann, Giacomo, du bist manchmal so ein geschmackloser Arsch.“
„Wieso?“
„Natürlich hat sie nach deiner dämlichen Bemerkung vorhin gedacht, wir hätten gewettet, dass ich sie ins Bett kriege.“
„Na und, was soll’s?“
„Ich bin so nicht und das weißt du genau. Das ist nicht mein Stil. Mir macht es etwas aus, wenn sie mich für ein Arschloch hält. Dir ist sowas vielleicht egal. Aber ich spiele im Gegensatz zu dir nicht mit Frauen.“
„Wenn du meinst.“
„Wer war das?“, mischte sich jetzt seine Schwester ein.
„Eine Hammerfrau.“
„War die nicht wesentlich älter?“, fragte Bella.
„Ich breite bestimmt nicht vor euch mein Liebesleben aus. Das geht euch alle einen Scheiß an.“
„Siehst du sie wieder?“, ließ sich Bella erneut vernehmen.
Er zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Wir haben zwar die Nummern ausgetauscht, den Rest wird man sehen. Ich fange ja auch nächste Woche meine zweite Ausbildung an. Da muss ich mich erstmal drauf konzentrieren.“
„Die machst du doch bei deinen Alten. Was kann da denn schon passieren?“
Leif kniff die Augen zusammen. Er wollte nichts geschenkt und erst recht keine Ausnahmestellung einnehmen, nur weil er die Ausbildung im elterlichen Betrieb absolvierte. Das hatte er auch seinen Eltern verklickern müssen, schon bei der ersten Ausbildung zum Gas-Wasser-Installateur. Aber mittlerweile hatten sie es kapiert und behandelten ihn so wie alle Azubis. Er würde sich voll auf die neue Ausbildung konzentrieren, um die genauso gut zu beenden wie die erste. Es handelte sich um ein duales Studium zum Kaufmann für Büromanagement. Dadurch sparte er sich am Ende die Weiterbildung zum Betriebswirt. Dann wollte er noch seinen Meister als Gas-Wasser-Installateur machen. Er hatte also noch ein bisschen etwas vor der Brust. Doch er wollte so gut wie möglich ausgebildet sein, wenn er später die gutgehende Firma seiner Eltern übernahm, die für über hundert Mitarbeiter verantwortlich war. Leif ignorierte Giacomos Kommentar.
„Wie alt war sie denn nun und wie hieß sie?“, fragte seine Schwester neugierig.
„Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung.“
„Was? Wie sie hieß?“ Nun klang Lisa doch geschockt. Dabei war sie eindeutig das schwarze Schaf der Familie, wenn es um Sex ging.
„Natürlich nicht, du dumme Nuss! Sie heißt Jazz. Ich meine, wir haben nicht über das Alter gesprochen. Ich vermute Mitte 30, maximal 37.“
Nun starrte Bella ihn mit offenem Mund an, dann verzog sie ihn, als hätte sie Zahnschmerzen. „Uaaah, du hattest Sex mit einer MILF.“
Leif verdrehte die Augen. Er hatte keine Lust, sich das schöne Erlebnis von Bella madig reden zu lassen. Zumal er wusste, dass sie in ihn verknallt war und immer angesäuert reagierte, wenn er etwas mit einer Frau hatte. Sie war eine gute Freundin seiner Schwester und lebte zusammen mit ihm, Giacomo und Lisa in dieser WG. Allerdings hatte Leif zu Beginn unmissverständlich klargemacht, dass er von Bella nichts wollte und sie nur mit in die WG ziehen konnte, wenn sie das akzeptierte und ihn in Ruhe ließ – also auf sexueller Ebene. Sie war hübsch, ja, aber sie löste bei ihm nichts aus. Sie war ihm zu anstrengend und intrigant. So gesehen passte sie perfekt zu seiner Schwester, von der er froh war, dass sie SEINE Schwester war, sie sich sehr mochten und er genau wusste, wie ihre Spielchen abliefen. Denn Lisa wollte man nicht zum Feind haben, sie war ein echtes Miststück, wenn sie jemanden nicht leiden konnte. Ihm reichten die Spielchen mit Lisa, das brauchte er nicht noch in einer Beziehung und deshalb war Bella raus. „Wenn ihr jetzt fertig seid, meine letzte Nacht zu kommentieren ...“
„Jetzt sag doch mal, wie kam es denn dazu? Ich hätte nie gedacht, dass Jazz dich ranlässt. Das ist doch eine gestandene Klassefrau und du bist zwar hübsch, aber gegen sie echt noch ein Knabe. Kein gestandener Kerl in ihrer Liga“, fiel ihm Giacomo ins Wort.
„Herrgott, das war doch auch gar nicht geplant. Sie hat sogar vorher ausgeschlossen, dass zwischen uns was läuft, weil ich ihr zu jung war. Wir hatten echt Spaß in den Kneipen, dann hat sie ihre Bahn verpasst und ich habe sie überredet, hier zu übernachten und ... äh ... dabei wirklich nur die Couch im Sinn gehabt. Dann ist es einfach passiert ... irgendwie“ Er rieb sich den Nacken.

Drei
Einen Monat später, Dienstag, 24. August
Am Ende ihrer Pause eilte Jazz den Flur entlang, zur letzten Doppelstunde des Tages, um nicht in der allerersten Unterrichtseinheit, die sie in der Unterstufe des neu eingerichteten Bildungsgangs ‚Kaufmann/-frau für Büromanagement duales Studium‘ hatte, zu spät zu kommen. Wie so oft war sie unterwegs noch von Schülern angesprochen worden und nun hastete sie durch die Gänge zum Computerraum, in dem sie gleich Informationswirtschaft unterrichten würde – theoretisch. Heute war jedoch die erste Lehrstunde überhaupt und sie würde erstmal eine Vorstellungsrunde abhalten und dann einen Überblick über die Themen des Fachs geben.
Schwungvoll riss sie die Tür auf und durchschritt zügig das kurze Stück des Raums bis zum Pult. Dann drehte sie sich um 90 Grad und schaute in die erwartungsvollen Gesichter der Klasse.
Mal schauen ...
Arrrrgh!
Der Blutfluss in ihren Adern legte eine Vollbremsung ein, als wäre er gegen eine Staumauer gekracht, stattdessen machte sich Entsetzen breit. Hitze wallte in ihrem Körper auf. Der Mund blieb offenstehen. Ihr Blick hing wie festgeklebt an dem Schüler an der ersten Tischinsel. ACH DU SCHEIßE!!!
Plötzlich schnappte sie nach Luft. Jetzt erst merkte sie, dass ihr der Atem gestockt hatte. Kraftlos ließ sie sich auf den Stuhl fallen. Ihre Beine fühlten sich an wie Pudding. Ihr einziger Trost war, dass Leif sie genauso ungläubig anstarrte wie sie ihn. Wie zur Hölle konnte das sein? Hatte er nicht gesagt, er hätte die Ausbildung bereits hinter sich? Wie alt war er wirklich?
Hastig entsperrte sie den Lehrer-PC, loggte sich in das elektronische Klassenbuch ein und rief die Stammdaten auf: Leif Niemeyer, 03.05.1999. OH MEIN GOTT! 22, erst 22! Weit entfernt von 27 und erst recht von 30, aber vor allem beinahe 20 Jahre jünger als sie ... und ihr Schüler. Eine totale Katastrophe! Stöhnend ließ sie den Kopf in die Hände sinken, aber nur für eine Sekunde. Dann fiel ihr wieder ein, wo sie war, dass sie nicht allein war, was ihre Rolle war und dass 26 Augenpaare auf sie gerichtet waren.
Sie hob den Kopf, setzte ein Pokerface auf, stand auf und begrüßte die jungen Menschen. Nach und nach stellten sich alle vor.
Dann kam Leif an die Reihe. „Mein Name ist Leif Niemeyer, ich bin 22 Jahre alt, absolviere gerade meine zweite Ausbildung ...“
Bei diesen Worten musste Jazz innerlich stöhnen.
„... bei Niemeyer Immobilien und nehme keinen Sonderstatus ein, nur weil ich die Ausbildung im elterlichen Betrieb mache. Davor habe ich 2017 Abitur nach G8 gemacht und anschließend Gas-Wasser-Installateur gelernt. Meine Hobbies sind Klettern und Parcour. Ich habe eine Schwester, mit der ich zusammen in einer Vierer-WG wohne.“
Jazz ertappte sich dabei, dass sie Leif wieder anstarrte. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken ‚22‘, ‚Schüler‘, ‚Niemeyer-Immobilien‘ und die Tatsache, dass sie ‚mit ihm im Bett‘ war, wild durcheinander. Sie konnte kaum klar denken. Oh Gott, was das für Verwicklungen mit sich brachte. Leif Niemeyer, der erst 22 statt 27 war. Nicht dass das hier die wesentliche Rolle spielte, bei all den restlichen Komplikationen. Hatte er sie belogen? Nun, nicht wirklich, nicht mehr als sie ihn. Er hatte angenommen, dass sie 37 war, und sie hatte sich dazu nicht geäußert. Sie hatte angenommen, dass er 27 war und dazu hatte er sich ebenfalls nicht geäußert. Sie waren also beide Opfer ihrer gegenseitigen Annahmen geworden, zumindest was das falsche Alter anging. Leif Niemeyer, Sohn einer der reichsten Familien der Stadt, die gleichzeitig auch ein großer regionaler Arbeitgeber war und in der Zusammenarbeit mit ihrer Schule viel Einfluss hatte. Leif Niemeyer, ihr Schüler und damit im Abhängigkeitsverhältnis zu ihr. Scheiße, sie konnte ihn nicht unterrichten. Sie musste mit ihrem Chef sprechen, auch wenn sie sich wenig Hoffnung machte. Sie kannte die personelle Situation der Schule. Ein Klassenwechsel für Leif kam auch nicht in Frage, da dies die einzige Klasse für das duale Studium war. VERFLUCHT, was sollte sie nur tun?
Dann war die Reihe an ihr, sich vorzustellen. „Mein Name ist Jasmin Krieger, ich bin ... äh ...“ Sie schaute in Leifs Richtung und holte tief Luft. „Ich bin 40 Jahre alt.“ Sie sah, wie sich seine Augen weiteten. „Seit 2007 unterrichte ich an dieser Schule die Fächer Wirtschaft und Informationswirtschaft. In meiner Freizeit betreibe ich Triathlon. Ansonsten gehe ich gerne auf Konzerte.“
Irgendwie hangelte sie sich durch die Stunde. Als es klingelte, war sie heilfroh, dass dieser Unterrichtstag beendet war. Sie musste unbedingt mit ihrem Chef sprechen und sie würde ihm die Wahrheit sagen. Der Raum leerte sich.
Als sie den Klassenbucheintrag fertig hatte, sah sie auf.
Da stand Leif und wartete ein paar Schritte vom Pult entfernt. Er musterte sie unergründlich.
„Was kann ich für Sie tun, Leif?“
„Echt jetzt: Sie?“
„Natürlich, was sonst? Ich sieze alle Schüler – immer.“
„Ich ... wir ...“
„Und ich erwarte“, unterbrach sie ihn. „Dass alle meine Schüler mich siezen. Für Sie bin ich Frau Krieger.“
Er verzog das Gesicht, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. Dann wurde sein Blick abweisend. „Natürlich. Wie Sie wünschen, Frau Krieger.“
„Hören Sie, Leif, ich ... unsere Situation ist seltsam und ich werde versuchen, etwas daran zu ändern. Ich werde noch heute mit meinem Chef sprechen.“
„Und was dann? Willst du ...? Entschuldigung, wollen Sie ihm etwa erzählen, was zwischen uns ...“
„Pst“, fiel sie ihm ins Wort. „Nicht hier.“
„So geht das nicht. Wir müssen miteinander reden. Und auf keinen Fall erlaube ich dir ... Ihnen ... über unser Erlebnis vor einem Monat mit Ihrem Chef zu sprechen. Jedenfalls nicht, bevor wir geredet haben.“
Sie musterte ihn. Wieder stellte sie diese Unnachgiebigkeit bei ihm fest. Natürlich hatte er recht, sie mussten sich über ihre Situation unterhalten, dringend. Aber wo? Auf keinen Fall hier in der Schule oder an irgendeinem öffentlichen Ort, wo sie jederzeit jemand sehen konnte. Noch weniger ging es bei ihr zu Hause, wenn das jemand beobachtete ... Allerdings konnte sie Schülern einen Besuch abstatten. „Was schlagen Sie also vor, wo wir unter vier Augen reden können? Bei Ihnen?“
Er überlegte kurz. Schließlich nickte er. „Meine Mitbewohner sind derzeit alle arbeiten.“ Dann beugte er sich vor und sagte: „Wo Sie hinmüssen, wissen Sie ja ... da Sie das ja Ihrem Computer entnehmen können.“ Damit drehte er sich um und ging.
Eine halbe Stunde später kam sie bei Leifs Wohnung an.
Sie musste sich erst sammeln, bevor sie die Wagentür aufstieß und ausstieg. Nachdem sie geklingelt hatte, brummte der Summer. Jeder Schritt die Treppe zur Wohnung hoch fiel ihr schwerer. Was für ein Schlamassel. Gut, als das zwischen ihnen passiert war, wussten sie nichts davon, dass sie in dieser Konstellation zusammentreffen würden. Und zum Glück war er nicht minderjährig. Insofern hatte sie nichts Ungesetzliches getan. Aber trotzdem, der schlechte Beigeschmack blieb, und was andere daraus machen konnten, wenn sie davon erfuhren, war hochexplosiv. Sie konnten ihr das Leben zur Hölle machen oder es konnte sie den Job kosten.

Leif erwartete Jazz schon in der Tür.
Ein paar Schritte vor ihm blieb sie stehen und strahlte Distanz und Unnahbarkeit aus, so kalt, hoch und breit wie die Mauer der Nachtwache in Game of Thrones.
Als sie einen Schritt auf ihn zumachte, wich er unwillkürlich zurück, drehte sich um und ging in die Küche. Sie folgte ihm. „Kaffee?“
„Nein, danke. So lange bleibe ich nicht.“
Natürlich nicht! Selbst den wies sie zurück. Leif knirschte mit den Zähnen.
Ohne Umschweife kam sie zur Sache. „Hören Sie, Leif ...“
„Jazz“, unterbrach er sie. „Wir sind unter uns. Du brauchst nicht ...“
„NEIN!“, fuhr sie dazwischen. „Die Karten wurden neu gemischt. Das läuft ab jetzt so und nicht anders. Sie ...“
Bittere Enttäuschung breitete sich wie Säure in ihm aus. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, als er sie heute gesehen hatte. Einerseits war er wirklich geschockt gewesen – auch über ihr wahres Alter. Andererseits hatte er sich gefreut, sie wiederzusehen. Natürlich war ihm klar, dass das, was zwischen ihnen gewesen war, ihr Schulverhältnis belasten würde. Aber so ... Er hatte nicht vor, sich dadurch Vorteile zu verschaffen. „Jazz, bitte ...“
„Leif, Sie und ich befinden uns ab sofort im Lehrer-Schüler-Verhältnis und nichts anderes zählt mehr.“ Sie starrte ihn abweisend, beinahe herablassend an.
Das hatte er nicht verdient. Er hatte ihr nichts getan und sie glotzte ihn an wie eine fiese Spinne, vor der sie sich ekelte. Was zwischen ihnen vorgefallen war, war aber nicht mehr rückgängig zu machen. Leif spürte, wie die Enttäuschung in Wut umschlug. Er wurde selten wütend. Um Langmut bittend schaute er zur Decke. Denn wenn seine Wut erstmal richtig entfacht war, wurde es unangenehm. Früher war er sehr jähzornig gewesen. Doch das hatte er sich vor sechs Jahren abgewöhnt, als bei einem seiner Wutausbrüche beinahe jemand zu Schaden gekommen wäre. Insgesamt war er mittlerweile sehr besonnen. Aber er spürte, wie die Tür zu seinem inneren Dämon aufgestoßen wurde, zumindest einen Spalt. „Herrgott, sei doch nicht so kalt und abweisend“, brauste er auf.
„Leif“, fauchte sie plötzlich, offenbar ebenfalls mit der Geduld am Ende. „Ich habe Ihnen schon in der Schule erklärt, dass ich alle Schüler sieze, ausnahmslos, und das Gleiche im Gegenzug erwarte.“
Die Tür zu seinem Dämon flog förmlich aus den Angeln und die Wut schoss glühend wie Lava durch seine Adern und brach in einer gewaltigen Eruption aus ihm heraus. „Schlafen Sie auch mit allen Ihren Schülern?“, brüllte er.
Für einen Moment wurde Jazz aschfahl und ihre Augen groß vor Unglauben. Dann zogen sie sich zu Schlitzen zusammen, in denen es gefährlich glitzerte. „Ich habe noch nie und werde nie mit Schülern schlafen“, sagte sie ruhig, trotzdem klang es unheildrohend. „Was zwischen uns passiert ist, ist geschehen, bevor wir in dieses Verhältnis eingetreten sind, und keiner von uns wusste, dass das geschehen würde.“ Plötzlich wurden ihre Augen noch schmaler. „Oder?“
Er stürzte auf sie zu und packte sie an den Armen. „Natürlich nicht“, knurrte er böse. „Was denkst du ... denken Sie von mir.“ Als er ihren erschrockenen Ausdruck sah, begann endlich wieder seine Festplatte das Kommando zu übernehmen und schickte den Dämon samt Wut zurück hinter die Tür. Shit, was tat er da? Er griff eine Frau an, noch dazu seine Lehrerin und noch schlimmer, er griff Jazz an, die Person, die er total sympathisch fand - na ja, gefunden hatte, bevor sie zu dem kalten Fräulein Rottenmeier mutiert war. Sofort ließ er sie los, als hätte er sich verbrannt. „Scheiße!“, fauchte er und raufte sich die Haare. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Dann lehnte er sich schwer gegen die Arbeitsplatte und ließ den Kopf einen Moment in die Hände sinken, um sich zu sammeln. Als er seine Gelassenheit wiedergefunden hatte, blickte er auf.
Sie beobachtete ihn.
„Es tut mir leid“, sagte er ruhig. „Es tut mir leid, dass ich Sie gerade angegangen bin und mich unmöglich benommen habe, dass ich das vorhin zu Ihnen gesagt habe und Sie geduzt habe.“ Er verschloss all seine durcheinanderwirbelnden Empfindungen, die diese seltsame Situation in ihm ausgelöst hatte – wie Verwirrung, Enttäuschung, aber eigentlich auch Freude und ein bisschen Schwärmerei. „Ich wollte Ihnen gegenüber nie respektlos sein oder mich unangemessen verhalten. Bitte verzeihen Sie. Ab jetzt werde ich mich zu 100 Prozent so benehmen, wie Sie es erwarten. Und das was zwischen uns war, werde ich niemals zum Anlass nutzen, um mich in eine vorteilhafte oder Sie in eine schlimme Lage zu bringen. Das schwöre ich Ihnen. Wenn Sie meinen, können Sie mit Ihrem Chef sprechen, aber bitte, ohne meinen Namen zu erwähnen.“

Obwohl sie es genauso wollte und es richtig war, tat es Jazz in der Seele weh, Leif so distanziert zu erleben, so ausgesucht höflich. Natürlich passte das zu ihm. Er war so viel reifer als andere in seinem Alter. Der Ausbruch vorhin ging für sie vollkommen in Ordnung. Denn egal, wie reif er war, war er auf der anderen Seite trotzdem erst 22. In dieser schwierigen Situation durfte ein junger Mensch auch mal den Kopf verlieren. Und seine Wut war auf jeden Fall besser gewesen als diese abweisende Höflichkeit. Natürlich war es genau richtig so. Und sie glaubte ihm jedes Wort. Er war nicht der Typ, der falsche Spielchen spielte. Unwillkürlich machte sie ein paar Schritte auf ihn zu und bevor sie wusste, was sie tat, strichen ihre Finger sanft seinen Arm hinab. „Es tut mir auch leid, dass es so kompliziert geworden ist, aber wir haben keine andere Wahl.“ Damit drehte sie sich um und ging.

Leif starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Erst das Klicken der Wohnungstür holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Er kapierte gar nichts mehr. Nachdem sie sich alle Mühe gegeben hatte, so ätzend wie möglich zu sein, war sie auf einmal für drei Sekunden wieder Jazz. Er schüttelte den Kopf. Frauen!
Plötzlich hörte er wieder ein Klicken und fuhr herum. Er stürmte durch den Flur und riss die Tür vom Zimmer seiner Schwester auf – leer. Dann die von Bella. Sie fiel ihm fast entgegen. SCHEIßE!!! „Was machst du hier?“, herrschte er sie an.
Erschrocken schaute sie ihn an „Mir ... äh ... ging’s nicht gut, deshalb bin ich schon heute Vormittag nach Hause gekommen.“
„Und du hast nichts Besseres zu tun, als zu lauschen?“
„Hab ich nicht.“ Sie klimperte mit den Wimpern. „Aber du warst so laut, dass ich auch nicht weghören konnte“, erklärte sie unschuldig.
Er glaubte ihr kein Wort. EINE RIESENSCHEIßE! Ausgerechnet dieses intrigante Weib hatte zugehört.
„Das war ein vertrauliches Gespräch, hörst du? Das bleibt in diesen vier Wänden. Wehe, du erzählst es jemanden.“
„Ich hab doch gar nicht gehört, dass du deine Lehrerin gevögelt hast.“
Jetzt wurde er wieder wütend und fasste sie am Arm. „Als wir zusammen waren, war sie nicht meine Lehrerin“, knurrte er.
„Das interessiert doch im Nachhinein keinen mehr.“ Sie lächelte böse. „Aber ich werde es unter bestimmten Umständen für mich behalten.“
Frag sie nicht! Frag sie nicht! Aber er war Masochist. „Aha, und unter welchen?“
„Du gehst mal mit mir aus.“
Fassungslos sah er sie an. Sie erpresste ihn. Natürlich hörte sich das im ersten Moment nicht schlimm an. Aber er kannte sie. Sie würde es nicht dabei belassen. „Das tue ich nicht, nicht unter solchen ‚Umständen‘“, er formte Anführungszeichen in der Luft. „Du willst mir doch wohl nicht schaden.“
Sie zuckte die Achseln. „Einen Versuch war es wert. Mach dir keine Sorgen, ich schade dir nicht.“

Vier
Fünf Tage später, Sonntag, 29. August
„Mein Gott, Lisa! Was sollen andere Leute über dich denken?“
„Was? Ich vögle! Wen ich will und wann ich will. Und es ist mir scheißegal, was andere Leute denken“, schnauzte seine Schwester zurück.
Natürlich ging ihr Temperament mit ihr durch. Wie meistens. Sie hatte dasselbe jähzornige Temperament wie er. Aber im Gegensatz zu ihm hatte sie nie gelernt, es zu kontrollieren. Das bedeutete, wenn sie richtig ausflippte, passierten die schlimmsten Dinge.
„Lisa“, zischte seine Mutter entrüstet.
Himmel, es war furchtbar, den ständigen Streitereien seiner Eltern mit seiner promiskuitiven Schwester zuzuhören. Er hatte es so satt und war andererseits froh, dass er nicht im Kreuzfeuer seiner kontrollsüchtigen und Eindruck heischenden Mutter stand.
„Wieso, ist doch wahr. Ich gehe ins Bett, mit wem ich will.“
Dieses Sonntagsessen war wie immer die Hölle und umso schlimmer, weil er selbst wegen der Geschichte mit Jazz – ach Verzeihung, Frau Krieger ‑ letzten Dienstag durcheinander war. Er hoffte, dass er sich bis zum nächsten Wiedersehen gefangen hatte.
„Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder“, schnaubte seine Mutter jetzt.
„WAS?“, keifte seine Schwester entrüstet. „An meinem Bruder?“ Ihre Stimme wurde immer höher. „Der ist doch der Schlimmste von allen, Mutter. Er fickt seine Lehrerin!“
Leif verschluckte sich an der Suppe und röchelte hilflos vor sich hin. Das hatte sie jetzt nicht wirklich gesagt?! Woher wusste sie das überhaupt? Na klar, Bella. Dieses Biest. Andererseits überraschte es ihn nicht, dass sie es zumindest seiner Schwester erzählt hatte. Sie war ihre beste Freundin. Aber wie konnte seine Schwester ihn so reinreiten? Natürlich kannte er sie und wusste, dass sie im ‚Kriegsfall‘ weder Freund noch Feind auseinanderhalten konnte.
Hilfreich klopfte seine Mutter ihm auf den Rücken. „Was redest du da, Lisa? Erzähl nicht solchen Unfug. Dein Bruder würde nie ...“
„Dann frag ihn doch“, brüllte Lisa.
Seine Mutter wandte sich ihm zu und zog eine Augenbraue hoch. „Leif?“
Er hustete noch ein bisschen. Wut stieg in ihm hoch, auf seine dummschwätzerische Schwester. Auf seine eigene Blödheit, als er mit Jazz in seiner Wohnung geredet hatte, ohne sich zu überzeugen, dass sie wirklich allein waren. Auf diese ganze Kack-Situation. Auf Jazz, die ihn wie einen .... einen ... dummen Schüler – was er jetzt natürlich tatsächlich war ‑ behandelt hatte. Auf sich, weil er diese Nacht nicht vergessen konnte. Er riss sich zusammen, schloss die Augen und zählte bis zehn. Das war das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass er diese heiße Wut spürte. „Natürlich nicht!“, presste er schließlich hervor. Und das war nicht gelogen.
„Du Lügner“, schrie Lisa jetzt außer sich. „Bevor sie deine Lehrerin wurde, hast du mit ihr gef...“
Da riss ihm der Geduldsfaden und der rasende Zorn ließ ihn einfach handeln. „L I S AAA!“, donnerte Leif. „Halt endlich dein verdammtes Scheißmaul!“
Die Augen seiner Schwester wurden groß und das Gesicht blass. Ihr Zorn verrauchte augenblicklich. Seit vielen Jahren hatte sie ihn weder richtig wütend, geschweige denn sooo wütend erlebt, noch hatte er ihr gegenüber solch eine Wortwahl benutzt. Aber eines wusste sie, sie hatte eine Grenze überschritten. Auch wenn es ihr in ihren Augen vermutlich gutgetan hatte, den Mist, mit dem sie jetzt gerade – und in regelmäßigen Abständen immer mal wieder ‑ von seinen Eltern beworfen wurde, auf ihn zu leiten und endlich mal aus der Schusslinie zu gelangen, war ihr glasklar, dass es total Scheiße von ihr gewesen war, ihn dermaßen reinzureiten und sie sich jetzt besser zurückhielt.
„Leif!“, rief seine Mutter entrüstet und starrte ihn an wie das Ding aus einer anderen Welt an.
Sein Vater mischte sich ein. „Ich verbitte mir diesen Ton – von allen beiden. So haben wir euch nicht erzogen, dass ihr euch am Esstisch dermaßen danebenbenehmt.“ Dann drehte er sich ruckartig zu Lisa. „Ich meine, von dir sind wir das ja gewohnt.“
Lisa knirschte mit den Zähnen, sah aber nur auf ihren Teller und sagte nichts mehr.
Leif starrte auf die Tischplatte und atmete schwer, um sich zu beruhigen. Schließlich fühlte er die Blicke seiner Eltern auf sich ruhen.
„Ist das wahr, Leif? Hattest du Sex mit dieser Frau, bevor sie deine Lehrerin wurde?“
Leif stöhnte, stützte die Ellbogen auf den Tisch und ließ den Kopf in die Hände sinken. Es pochte unerträglich hinter seinen Schläfen. Was sollte er sagen? Er belog niemanden und seine Familie schon gar nicht. Aber er hatte Jazz versprochen, dass es ein Geheimnis zwischen ihnen blieb, und nun wussten es schon vier Leute mehr. Es war ein Desaster. Aus einer wunderschönen Nacht war ein Albtraum geworden. Er traf eine Entscheidung, rieb sich übers Gesicht und schaute müde auf. „Dazu werde ich nichts sagen. Wie ich mein Privatleben gestalte, ist meine Sache.“
Seine Mutter sah aus, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben, und sein Vater zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. Dann brummte er: „Also stimmt es, sonst würdest du es ja verneinen.“
„Um welche Person handelt es sich?“
„Wie gesagt, ich sage dazu nichts mehr.“
„Himmel, Sohn, wie soll es weitergehen? Du kannst doch nicht von der Person unterrichtet werden, mit der du so ein persönliches Erlebnis geteilt hast. Die kann dich doch gar nicht neutral bewerten. Das geht einfach nicht, sie muss weg“, ereiferte sich seine Mutter.
„Verstehe nicht, wieso ihr euch aufregt“, mischte sich seine Schwester ein. „Zum Nachteil kann es sich doch auch nicht auswirken. Sie wird sich wohl kaum trauen, ihm eine schlechte Note zu geben und wenn doch, hat er doch ein Druckmittel in der Hand.“
Würg! Ihm wurde schlecht. Das meinte sie nicht ernst, oder doch? Er befürchtete ja und konnte seine Schwester nur anstarren, als wüchsen ihr Teufelshörner aus der Stirn. Sein Mund stand offen wie ein Scheunentor.
Plötzlich legte seine Mutter nachdenklich den Finger an die Lippen. „Hm“, sinnierte sie. „Du hast recht, Lisa.“
Gleich musste er wirklich kotzen. Diesmal war er derjenige, der entrüstet war. „Mutter! Spinnst du?“
„Nicht in diesem Ton, junger Mann“, grollte sein Vater.
Heiß floss der Zorn erneut durch ihn hindurch. Er sprang auf und ignorierte seinen Vater „Ihr habt sie nicht mehr alle. Ich werde nichts dergleichen tun, NIEMALS, und wenn ich Sechs stehe. Hört ihr euch eigentlich selbst zu? Das ist widerwärtig! Wenn, will ich gute Noten, weil ICH gut bin und nicht, weil ich sie mir ervögelt habe“, fauchte er. „Ich verbiete euch, euch da einzumischen und irgendwie tätig zu werden. Habt. Ihr. Das. Kapiert?“ Die letzten Worte schrie er.
Jetzt sprang sein Vater auf. „ICH SAGTE SCHON, NICHT IN DIESEM TON!“, donnerte er. „Du hast uns nicht zu sagen, was wir tun und lassen sollen.“
Sein Vater war es nicht gewohnt, von anderen Befehle entgegenzunehmen, erst recht nicht von seinen Kindern. Wenn, gab er die Befehle.
„Vater“, zischte Leif drohend. „Ich meine es todernst: Wenn du dich da einmischst, sind wir geschiedene Leute!“
Für eine Sekunde blinzelte sein Vater verdutzt, bevor er sich wieder im Griff hatte. Er wusste, dass Leif sehr entschlossen sein konnte – woher er das wohl hatte? ‑ und musste begreifen, wie bitterernst er das meinte.
Das war keine leere Drohung. Wenn das der einzige Weg war, um das delikate Geheimnis zu bewahren, um Jazz zu schützen und die Reputation seines Wortes, würde er ihn gehen. Er würde nicht zulassen, dass seine Eltern Bockmist verzapften. Natürlich hoffte er, dass das alles nicht notwendig war.
Er liebte seine Eltern, aber seinem Vater war mit konventionellem Bitte-Bitte nicht beizukommen. Der Mann tat in der Regel, was er für das Beste hielt, egal, über wessen Leichen er gehen musste, solange es nicht die seiner Familie waren. Denn da war er zu 100 Prozent loyal und ein liebender Ehemann und Vater. Mein Gott, sie mussten doch nur ein paar Jahre die Füße stillhalten. Außerdem war es eine Beleidigung, anzunehmen, dass er das nötig hatte, und das sagte er auch laut.
Einen Moment starrten sein Vater und er sich noch in die Augen - wie zwei Kampfhunde in der Arena. Leif würde nicht zurückweichen und als erster den Blick abwenden.
„Hm, na gut, wenn alles gut läuft, ist das ja auch nicht nötig“, brummte sein Vater einlenkend und wandte den Blick ab. „Lasst uns weiteressen.“
„Nein, danke“, erklärte Leif. „Mir ist der Appetit vergangen. Ich werde gehen, um mich zu beruhigen. Tut mir leid. Noch einmal: Niemand von euch mischt sich ein, kapiert? Versprecht es.“
„Ich verspreche gar nichts. Mach, was du für richtig hältst“, sagte seine Mutter und sein Vater nickte zustimmend.
Er wusste, dass er mehr Zugeständnis nicht bekommen würde. Dann drehte er sich zu seiner Schwester. „Wir sprechen uns noch!“

Fünf
Am nächsten Tag, Montag, 30. August
Er marschierte in das Zimmer seiner Schwester. Gestern war sie nach dem Essen mit seinen Eltern nicht nach Hause gekommen, sondern erst heute Morgen, leider total zugedröhnt. Sie hatte nach männlichem Aftershave gerochen. Ihre übliche Verhaltensweise, wenn sie Ärger hatte: feiern, saufen, vögeln. Da sie das Studium nicht immer hundertprozentig ernstnahm, konnte sie im Prinzip täglich feiern gehen.
Seine Schwester saß auf dem Bett, Bella war auch da. Toll!
„Bella, bitte lass uns allein. Ich muss mit Lisa reden.“
Als Bella ihn mit großen Augen anblickte, schob er nach: „Unter vier Augen.“
„Aber ich weiß doch Bescheid“, sagte sie mit Schmollmund. „Was denkst du, von wem Lisa die Info hat?“
Er legte den Kopf schief und konnte nicht verhindern, dass ein verächtlicher Ausdruck in seine Augen trat. „Das ist mir glasklar. Aber ich habe nicht vor, meine familiären Angelegenheiten vor Dritten breitzutreten. Also geh.“
„Lass uns allein, Bella“, forderte Lisa ihre Freundin auf. Sie wusste, wann es genug war.
Als Bella die Tür hinter sich schloss, ließ Leif sich auf Lisas Sofa fallen. „Was hast du dir nur dabei gedacht, mich so reinzureiten? Vor allem, weil ich Bella gebeten habe, diese Information, die sie nicht mal hätte mitbekommen sollen und dürfen, absolut vertraulich zu behandeln. Dann erzählt sie es dir, was schon ein Vertrauensbruch ist, womit ich aber noch leben könnte, denn du bist meine Schwester. Und du hast nichts Besseres zu tun, als diese ... äh ... delikate Angelegenheit beim Sonntagsbraten auszubreiten, nur damit Vater und Mutter dich in Ruhe lassen. Das war richtig scheiße und total mies von dir. Ich bin echt enttäuscht, schließlich habe ich dir nichts getan. Im Gegenteil, ich halte doch immer zu dir.“
Sie schluckte schwer. „Ich weiß, das war kacke. Es tut mir total leid, Leif. Ich wollte und will dir nie schaden. Am Sonntag habe ich mich hinterher so geschämt, dass ich dir so übel mitgespielt habe. Bitte glaub mir.“
Er fuhr sich durchs Haar. „Ich weiß.“
„Du hast Dad echt geil die Stirn geboten. Respekt!“, lächelte sie plötzlich versonnen, stand auf, kam zu ihm rüber und schlang einen Arm um ihn.
Er drückte sie an sich. „Ich meine es wirklich ernst. Ich lasse nicht zu, dass Dad Jazz reinreitet. Bitte, versprich mir, nein schwör mir, dass du dichthältst und ihm nicht verrätst, um wen es sich handelt.“
Lisa sah ihm tief in die Augen. „Versprochen! Sie haben schon Sonntag versucht, mehr aus mir rauszukriegen, aber ich habe gesagt, dass ich das nicht weiß und bin auch gegangen, vielleicht 15 Minuten nach dir.“ Dann stand sie auf. „Ich mache mich jetzt fertig und gehe aus.“
Stirnrunzelnd sah er sie an, sagte aber nichts. Es reichte schon, dass ihre Eltern das übernahmen, und zum Glück war er nicht ihr Vater.
                                                                                                                               ~~~
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich und Leif sah auf.
Er lag bis auf die engen Pants ausgezogen im Bett, schaute einen Film und hatte reichlich Gin-Tonic getrunken. Zum einen, weil er morgen Jazz wiedersah und keine Ahnung hatte, wie er sich benehmen sollte, zum anderen, um diese ganze surreale Situation etwas erträglicher zu machen. Nicht, dass er üblicherweise seine Probleme in Alkohol ertränkte. Aber vereinzelt schon. Da dies so ziemlich die übelste Situation war, in der er sich je befunden hatte, hatte er entschieden, dass sie Alkohol ausnahmsweise mal rechtfertigte.
Vor ihm stand Bella – in Dessous. Natürlich hatte er sie schon in Unterwäsche gesehen, immerhin wohnten sie zusammen. Eine Hand hielt sie hinter dem Rücken.
Himmel, was wurde das denn? Er blickte auf die Uhr: 22:54.
„Hallo Leif.“
„Was willst du? Vor allem, wieso klopfst du nicht an?“ Klang er etwas verwaschen?
„Ich will dir etwas zeigen?“
Aha, das tat sie ja schon – viel nackte Haut und schöne Reizwäsche.
„Ist das so wichtig, dass es um diese Uhrzeit sein muss?“ Er richtete sich auf. Dabei machte sich leichter Schwindel breit.
Sie nickte, holte die Hand hervor. Darin hielt sie ihr Smartphone und kam näher, hockte sich neben ihm aufs Bett. So nah, dass ihre Beine sich berührten. „Schau!“ Sie drückte auf Play und ein Video startete.
Zu sehen waren Jazz und er in seiner Küche.
„Leif“, fauchte Jazz. „Ich habe Ihnen schon in der Schule erklärt, dass ich alle Schüler sieze, ausnahmslos, und das Gleiche im Gegenzug erwarte.“
„Schlafen Sie auch mit allen ihren Schülern?“, brüllte er zurück.
„Ich habe noch nie und werde nie mit Schülern schlafen. Was zwischen uns passiert ist, ist geschehen, bevor wir in dieses Verhältnis eingetreten sind, und keiner von uns wusste, dass das geschehen würde, oder?“
Leif sah sich durch den Raum stürzen und sie packen. „Natürlich nicht.“ Er klang total wütend. „Was denkst du ... denken Sie von mir.“ Plötzlich ließ er sie los. „Scheiße!“, fauchte er und raufte sich die Haare. „Scheiße, scheiße ...“
„Mach das aus!“, rief er aufgebracht. Diese kleine hinterfotzige Schlampe! Sie hatte die Szene in der Küche gefilmt. „Du mieses Stück Scheiße!“, schrie er. Der Alkohol brachte ihn dazu, das zu sagen, was ihm als Erstes in den Sinn kam, sonst hätte er sich nie dermaßen despektierlich geäußert, egal, ob sie nun eine Schlampe war oder nicht.
Bella stoppte das Video und blickte ihm fest in die Augen. „Das miese Stück Scheiße hat das Video noch woanders gesichert und wir beide werden jetzt Spaß miteinander haben, sonst lade ich das Teil auf Insta und Youtube hoch. Kapiert, Leif?!“ Sie sagte das so ruhig und kalt, dass es schlimmer als eine Morddrohung klang, und völlig unbeeindruckt von seinem Gebrüll.
Er hatte das Gefühl in flüssigem Stickstoff gebadet zu sein. Ihm wurde eiskalt. „Was … heißt … Spaß?“, krächzte er. Als ob du das nicht wüsstest, du Idiot! Aber man konnte doch mal hoffen.
„Du wirst mich endlich vögeln.“
„Das meinst du nicht ernst.“ Entgeistert starrte er sie an.
„Doch, vollkommen.“
Das war der schlimmste Tag seines Lebens. Diese Bitch hatte ein Video und wenn er nicht wollte, dass sie es hochlud, was er ihr hundertprozentig zutraute, musste er sich von ihr erpressen lassen. Dabei war ihm seine Person scheißegal. Na gut, nicht ganz, aber doch ziemlich, aber Jazz ... Egal, wann das zwischen ihnen passiert war, das würde keine Socke interessieren. Sie würde riesige Probleme in ihrem Job bekommen, das konnte er nicht zulassen. FUCK!
Leider fiel seinem im Alkoholbad planschenden Hirn so schnell keine sinnvolle Lösung ein. Deshalb und weil er einfach nicht vollkommen Herr seiner Sinne war, gab er schweren Herzens und mit viel Ekel – nicht nur Bella, sondern auch sich selbst gegenüber ‑ nach.
Immerhin begriff er noch am Rande, als sie ihn schon nach hinten aufs Bett drückte, dass er den größten Fehler seines Lebens beging. Sie würde es nicht bei einem Mal belassen. Aber darüber konnte er erst nachdenken, wenn er wieder … denken konnte ...
Bella war über ihm und zog ihm den Shorts nach unten bis zu den Knien. Sich selbst hatte sie schon ausgepackt. Dann nahm sie seinen Schwanz in die Hand und massierte ihn fachmännisch.
Gegen seinen Willen richtete sich das verräterische Teil auf und wurde halbwegs hart.
Bella schien das noch nicht zu reichen. Sie beugte sich hinab und verpasste ihm einen ordentlichen Blowjob.
Leif lag auf dem Bett und atmete heftig ein und aus. Nicht, weil er erregt war, sondern, um das aus- und durchzuhalten und um nicht kotzen zu müssen. Er hatte eine Hand über die Augen gelegt, um auch nicht hinsehen zu müssen. Leider spielte sein treuloser Schwanz mit. Dann spürte er, wie sie sich auf ihn setzte und ihre heiße, feuchte Enge ihn umschloss.
Sie begann ihn rhythmisch zu reiten. „Lieg nicht einfach so da, berühr mich!“, forderte sie ihn auf.
Leif nahm die Hand von den Augen und dankte für den Gin-Tonic. Nüchtern hätte er das gar nicht ertragen. Widerwillig legte er die Hände auf ihre durchaus schönen Brüste und knetete sie fester als nötig. Dieses Biest sollte leiden.
Leider schien sie es zu mögen, denn sie stöhnte. „Ja, so ist es gut, mehr!“
Leif biss die Zähne zusammen, seine Wut kam zurück. So, die Schlampe wollte es also hart, das konnte sie haben. Er packte sie, drehte sie auf den Rücken.
Sie quiekte erschrocken.
Dann rammte er sich in sie hinein und nagelte sie brutal ins Bett. Er nahm keinerlei Rücksicht und hämmerte völlig hemmungslos seinen Zorn in sie hinein. Sie schrie die ersten Male, doch er machte weiter.
Irgendwann drang ihr immer erregteres Stöhnen an sein Ohr und er begriff, dass sie nicht vor Schmerzen schrie, sondern vor Geilheit. Dann kniff er ihr hart in die Brustwarzen und sie kam augenblicklich. Sofort zog er sich aus ihr zurück, auch wenn sein Schwanz protestierte, weil er trotz allem leider selbst kurz vor dem Höhepunkt gewesen war. „Raus aus meinem Zimmer!“, fauchte er.
Sie atmete schwer. „Aber ... ich ... du“
„RAUS! AUS! MEINEM! ZIMMER!“, brüllte er wie ein verwundeter Grizzly und genauso zornig.
Bella setzte ein verschlagenes Lächeln auf. „Nix da, du bist noch nicht gekommen. Denk an das Video.“
„Scheiß drauf. Ich habe getan, was du wolltest und dich gevögelt. Es war nie die Rede davon, dass ich auch kommen muss. Verpiss dich jetzt.“
Sie überlegte einen Moment. „Na gut, ich komme morgen wieder und dann musst du auch kommen.“ Damit stand sie auf und ging lächelnd hinaus. Die Unterwäsche ließ sie zurück.
Leif saß benommen auf dem Rand des Bettes, die Ellbogen auf den Knien abgestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Er schloss die Augen. Das konnte er nicht! Nicht noch einmal! Er fühlte sich jetzt schon dreckig, benutzt und total erniedrigt.
Was hatte er sich nur dabei gedacht, Bella nachzugeben? Er hatte gar nicht gedacht, konnte es nicht, immer noch nicht. Ihm ging es beschissen. Oh Gott, und dann hatten sie es auch noch ohne Kondom getrieben. Gut, dass er nicht in ihr gekommen war, nicht auszudenken. Wenn sie schwanger wurde, wäre er für immer in irgendeiner Art an dieses Miststück gebunden.
Plötzlich war ihm speiübel. Er sprang auf und rannte ins Badezimmer, wo er sich übergab …

 

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